Autor: sepplbux » 07.06.2015, 00:58
Hallo Stefan
Bei der von dir zitierten Fußnote aus dem Schädler handelt es sich bestimmt um historische Uniformlederhosen, ich kann es mir kaum vorstellen, das man um 1960 noch irgendwo solche Lederhosen gefertigt hat. Und wenn, dann als historische Kleidung für Museen oder ähnliche Anlässe. Es mag zwar im 19. Jahrhundert ganz praktisch gewesen gewesen sein die Taschen hinterm Latz zu verstecken und auch niemand da auf dumme Gedanken gekommen sein. Von heutigen sittlichen und erotischen Empfinden war man wohl um 1810 oder 1850 doch ziemlich weit entfernt. Die kamen doch wohl erst kurz vor der Jahrhundertwende zu 1900 auf, anfangs bei der besseren Gesellschaft, die in diesen Dingen immer eine Vorreiterrolle gespielt hat im Gegensatz zur Landbevölkerung, es sich gar nicht leisten konnte, den jeweiligen Modetrends zu folgen. Wie die Unterwäsche oder Spitzen an den Kleidern der Damen. Vielmehr war es die einfache und billige Kleidung welche man auf dem Land trug und unter der man Schamhaftes verbarg bzw sich vor den Unbilden des Wetters schützte. Interessant dabei ist auch, das man besonders in Bayern erst nach dem 2. Weltkrieg richtig begann, Unterhosen unter der Lederhose zu tragen, zumindest auf dem Land. Aber auch das Lederhosenwaschen geht da auf alte Zeiten zurück, Man wusch eben die Lederhose nach einiger Zeit mit damals üblichen Mitteln, wie Kernseife oder der heutigen Schmierseife, die wie bekannt aus Lederresten bzw Knochenleim hergestellt wurde, letzteres durch Auskochen und anschließenden Verdampfen der erhaltenen Brühe, wobei man wohl die Knochen dazu extra zerkleinerte um das notwendige Knochenmark zu erhalten. Aber auch die Lederreste aus den Gerbereien lieferten begehrtes Rohmaterial für wichtige Produkte wie Gelatine oder eben die Schmierseife. Bis zur Wende gab es in Wünschendorf bei Gera ein solches Werk, das die Reste der Gerbereien in Weida verarbeitet hat , heute leider abgerissen. Die letzten Überreste davon hab ich selbst noch abtransportiert nach der Wende. na ja, die Verarbeitung dort war nicht gerade appetitlich vor allem bei der Materialannahme und den ersten Verarbeitungsschritten.
Leider sind die rein bäuerlichen Gewänder doch recht spärlich vorhanden, die nachfolgenden Generationen haben Opas Kleidung rigoros entsorgt oder allenfalls gründlichen Reinigungen unterzogen, so daß fast keine Zeitzeugen diesbezüglich mehr vorhanden sind. Und man sich fast nur auf restaurierte Stücke beziehen kann. Wobei das meist ein falsches Bild ergibt. Alte Geschichten bzw Romane , eben Literatur, geben da mehr Aufschluß, auch wenn da meist auf genaue Beschreibungen wenig Wert gelegt wird. Zu dieser Zeit war den Autoren alles selbstverständlich und deshalb kaum erwähnenswert, wie auch heute noch. Nur wer heute sich damit intensiv befaßt und es genau ließt, vermag da einen Einblick zu bekommen in die damalige Zeit
Aus dem Erbe der Großeltern sind mir da noch etliche Romane erhalten, die erfundene oder auch teils wahre Geschichten erzählen, nicht gerade Weltliteratur, aber doch welche, die das leben der einfachen Bevölkerung anschaulich schildern. Die Gefahren denen sie ausgesetzt waren, das tägliche Leben und der Kampf um dessen. Und weil es sich dabei um meist um alpenländische Stoffe ging , war natürlich die Lederhose immer ein Mittelpunkt. Als Schüler und Heranwachsender hab ich diese Bücher immer gern gelesen, weil sie abgesehen von den beschriebenen Lederhosen auch immer spannend waren, Gefahrensituationen detailliert beschrieben wurden.Zeitgenössische Literatur gab es damals in den 50ern wenig und die war meist auch langweilig. Jedenfalls der Fantasie eines Kindes kaum förderlich.
Hallo Reinhard
Natürlich wäre es interessant, wie künftige Generationen unser heutiges leben betrachten. Gewiß einesteils mit Ehrfurcht ob unserer Erfindungen wie Internet, Auto ( auch wenn schon etwas länger), der Inanspruchnahme von Bodenschätzen und dergleichen mehr. Auch der Gewinnung vollkommen neuer Materialien aus Erdöl. Nur ob das dann in 50 oder hundert Jahren noch aktuell ist, ich bezweifle das, eher wird man mitleidig lächeln ob unserer Dummheit. So wie wir das heute tun und als Unkenntnis abtun.
Seit den 30ern Jahren, unterbrochen, doch auch wieder beflügelt durch den Weltkrieg, erlebten wir doch gewaltige Aufschwünge besonders in der Technik allseits. Und vielerlei, das unser Leben bereichert. Unmögliches ist wahr geworden, manches gewohnte verloren gegangen. Wir können zwar heute in Sekundenschnelle einen Freund in Australien oder Südamerika mittels E-Mail erreichen oder sogar von Angesicht zu Angesicht telefonieren aber kleiden uns zunehmend in Chemiefasern mit fragwürdigen Zusätzen. Und das eigentlich sorglos, Erfahrungen der Vorfahren spielen da keine Rolle mehr, Die Werbung verspricht besseres und der glauben wir.
Natürlich hat man auch früher die Natur ausgebeutet, wie den Silberbergbau im Erzgebirge und vieles andere. Aber eben in mühevoller Arbeit und geringem Maße. Nur weil wir es mittlerweile verstanden, diese Produktivität zu steigern, nahm es dann enorme Ausnahmen an, die uns heute erschrecken, aber nicht unbedingt verzichten wollen.
Meine Prognose, Unter einem auf Ertrag ausgerichteten System, sprich Kapitalismus wird es wohl auf Dauer zu einem Kollaps der Natur geben, und damit auf eine Rückbesinnung zur Natur und zu sehr alten Lebensformen. Die zwar sehr sehr schmerzhaft und ungewohnt sein werden. Aber die Entwicklung der Menschheit zeigt aber auch Alternativen auf, wie es weitergehen kann. Ob wir total gläsern werden und jeder weiß, ob wir noch Lederhosen tragen oder vielleicht dann hanfene, das werden wohl erst unsere Nachfahren genau wissen.
Den vergangenen Zeiten braucht man auch nicht mehr nachtrauern, weil sie so wohl nie wiederkommen und sie sicher auch keiner so wieder haben will. Selbst die Neonazis möchten wohl denselben nie erfahren, wissen sie doch selbst nicht man mit ihnen damals umgegangen wäre. Nur ist ihnen das oft genug unbewußt wie auch die Landung im KZ. Aber wir wollen ja nicht unbedingt politisch werden.
Stefan
Stimmt, die Bügelfalte kam erst mit der Jahrhundertwende auf, nur ist deren Entstehung immer noch noch ziemlich ungewiß. Sicherlich hat ein Schneider bei der Auslieferung einer neuen Hose das praktiziert und es wurde dann so übernommen. Natürlich ließen sich Lederhosen nicht dauerhaft bügeln und keiner hat da wohl jemals einen Gedanken daran verschwendet. Genau so wie bei Jeans, die bügelt wohl auch keiner, zumindest nicht mit Bügelfalte.
Hansi
Mit einem Schnittmuster der damaligen Zeit und Ausführung und einem günstigen Lederlieferanten sehe ich da keine allzu großen Kosten entstehen. Zwar ist eine Jeans aus China wesentlich billiger, um vieles sogar, aber kann da wohl keine Authentizität bieten. Ein guter Schneider oder Sattler vermag das sicher preisgünstig herstellen. Wichtig wäre eben nur eine Darstellung oder eine genaues Schnittmuster. natürlich sehr billig würde das wohl nicht werden.
Harald
Ähnlich wie auch heute noch üblich, wurde auf strenge Einhaltung der Kleidungsvorschrift geachtet. Damals wohl noch mehr als heute. Ein Bankbeamter in kurzer Pfadilederhose, garantiert wäre er am nächsten Tag nicht mehr sichtbar.
Und damals waren ja viele Angestellte in der Beamtenposition, egal ob bei Post, Bahn, oder als Lehrer oder im Staatsdienst, auch in den Stadtverwaltungen, damit unkündbar und auch den Bekleidungsvorschriften unterworfen. Manches erwartet man ja auch heute noch, auch wenn es mitunter legerer zugeht. Als Busfahrer Mitte der sechziger Jahre war ich gehalten , Dienstkleidung zu tragen, auch wenn man da darüber hinweg sah, das im Hochsommer schon mal welche eine Lederhose an hatten. Die waren ja damals auch bei Erwachsenen noch üblich. Und viele trugen sie auch in Fortleben ihrer Kindheit oder auch als Angewohnheit. Kaum einer nahm da Anstoß.
Erstmal viel Grüße
Gerd