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Anatomie der klassischen Lederhose

BeitragVerfasst: 18.05.2013, 10:57
Autor: stefan
Aus welchen Teilen ist eine Lederhose im klassischen Schnitt aufgebaut?

Es soll hier an zwei Beispielen gezeigt werden:

Eine Hose in der Miesbacher Art mit Plattstickerei und Bändeln am Beinabschluss

1997

und eine Hose in der Art des Salzkammerguts mit Steppstickerei und einem geknöpften Beinabschluss.

1998

Die je zwei Vorder- und Rückteile sind die größten Teile im Zuschnitt. Sie bilden gewissermaßen den "Rumpf" der Hose.

2003

2006

Der Bund bildet den oberen Abschluss. Er besteht aus einem rechten und einem linken Teil, die sich vorn unter dem Hosenlatz überlappen und hinten einen Schlitz frei lassen.

2012

Der hintere Schlitz wird mit dem Zwickel geschlossen. Mit einem Lederband kann die Weite des Schlitzes verstellt werden und so an den aktuellen Taillenumfang angepasst werden.

2010

An der Vorderseite werden die beiden Teile des Hosenbunds mit einem oder zwei Knöpfen verbunden.

2009

Die Taschenausschnitte werden auf der Hinterseite nach unten bis hinter die Vorderkante der Tasche verlängert. Dort wird dann der Taschenbeutel an Vorder- und Rückseite des Taschenausschnitts angesetzt.

2011

Die beiden Seiten der Latzöffnung werden mit zwei Lederstücken (Untertritt) zur Mitte verbreitert. Oft können die Untertritte auch zusammengeknöpft werden.

2009

Damit der Latz die Vorderteile überlappt, wird er seitlich mit den Leisteln und oben mit dem Latzbund vergrößert. Im Latzbund ist auf jeder Seite ein (manchmal auch zwei) Knöpfe, die den Latz mit dem Hosenbund verbinden. Leistel und Latzbund werden sehr oft bestickt.

1999

2000

Auf der rechten Seitennaht sitzt der Messersack (die Messertasche). Der Taschenbeutel wird an Ober- und Unterkante des Schlitzes angesetzt. Das Messerleistl verdeckt den Schlitz. Hier werden sehr oft die Initialen des Besitzers eingestickt.

2008

2001

2002

Die Hosenbeine sind am Ende traditionell geschlitzt und entweder mit Bändeln geschnürt oder geknöpft. Sie werden ebenfalls sehr gern bestickt. Bei einer Bändelschnürung wird in der Regel ein Schlitzfleck (ein kleines Lederstück) als Abdeckung unter die Schlitze gesetzt.

2004

2005

Re: Anatomie der Lederhose

BeitragVerfasst: 19.05.2013, 00:39
Autor: sepplbux
Hallo Stefan

Danke für deinen Beitrag. Besser hätte ich es auch nicht beschreiben können.

Ergänzend dazu noch einige Ausführungen zu den " Pfadihosen".
In den Ende der 50er und 60er Jahren gefertigten Lederhosen setzte sich ein sportlicherer Typ durch. Man ersetzte die mehr oder weniger breite Frontklappe durch eine, die statt mit Knöpfen mit Reißverschlüssen geschlossen wurde. Das änderte auch den Schnitt einer Lederhose . Den Zwickel hinten am Bund ließ man oft weg, ebenso die Schlitzflecken an den Hosenbeinen, ließ aber dennoch den Schlitz an den Beinenden um eine Anpassung an die Oberschenkel zuzulassen. Weil diese Art Lederhosen meist vom Kindern und Jugendlichen bevorzugt wurden, war das auch nötig, um dem Wachstum derselben gerecht zu werden. Galt doch nach wie vor, eine Lederhose sollte möglichst lange getragen werden und auch Kleineren wieder vererbt werden. Dafür stattete man die Pfadihosen mit einem Gürtel aus, der damals schon einen sportlichen Stil signalisierte. Bei den geknöpften Lätzen sah man das nicht vor, für diese gehörte ein lederner Hosenträger mit Mittelsteg dazu. Nur wenn die Lederhose eng genug saß, konnte da darauf verzichtet werden. Naja, und die meisten unserer älteren Mitglieder empfinden das ja auch heute so. Knöpflatz mit Hosenträger und die Doppelreißverschluß= Pfadihose mit Gürtel. Obwohl heutige Knöpflatzhosen auch schon Gürtelschlaufen besitzen, aber dazu einen Gürtel zu verwenden um die Paßfähigkeit zu garantieren ist doch ziemlich fragwürdig und meist auch ziemlich ungünstig. Gürtel unter dem Latz oder darüber und Aussehen sind hier die Fragen, wo sich die Geister scheiden. Beides sieht meiner Ansicht nach nicht gut aus.
Zur Messertasche: Die gehörte seit jeher an die rechte Seite, kein Lederhosentragender hätte die woanders gesucht.
zu meiner Verwunderung wird die heute oft an die linke Seite verbannt, so wie auch die rückwärtige Tasche.
Bei der Suche nach deren Herstellern stößt man da immer auf ausländische Firmen in der Türkei oder Pakistan. Mit einer traditionsbewußten Lederhose hat das meiner Meinung nach wenig zu tun. Der billige Preis mag aber Einsteiger schon locken, die zudem zum einem wenig Ahnung von einer zünftigen Lederhose , ob Kniebund oder Kurze, haben und diese zudem auch nur für Oktoberfest oder ähnliches brauchen. Man kann ihnen deshalb schon verzeihen. Die vielen Onlineshops suggerieren ihnen ja fälschlicherweise Traditionsware.
Naja, und in eine ordentlich Lederhose gehört auch kein Innenfutter aus Kunstfasern, das assoziziert eigentlich nur miserable Nähte und Verarbeitung, die damit verdeckt werden. Hygienische Vorteile sehe ich da kaum, wie soll das Innenfutter extra gewaschen werden???
Soviel mal zur <Mode der Lederhose. Unsere Nachfolger in >Lederhosen werden wohl andere Ansprüche haben als wir, naja und ob wir mit einer Lederhose des Andreas Vogler zufrieden wären??? ich glaube eher weniger. Unsere Ansprüche sind doch anders. Höchstens wir mögen althistorische Trachten und sind bereit, sie auch zu präsentieren. Aber ob das in der allgemeinen Öffentlichkeit noch ankommt????? Eher bei Trachtenfesten oder allenfalls zum Oktoberfest. Der Modegeschmack hat sich doch verändert.

Mit Gruß Gerd

Re: Anatomie der Lederhose

BeitragVerfasst: 20.05.2013, 16:42
Autor: stefan
So, jetzt sind auch die Bilder hinzugekommen.

Die Lederhosen "Sportform" kommen in einem gesonderten Beitrag. Kann mir jemand dazu vielleicht Vergleichsfotos bereit stellen, auf denen auch die Nähte zu sehen sind?

Viele Grüße

Stefan

Re: Anatomie der klassischen Lederhose

BeitragVerfasst: 22.05.2013, 21:13
Autor: Reinhard
Hallo,

ein paar Bilder von "sportlichen" Lederhosen habe ich schon mal in die Galerie gestellt. Ein paar Detailfotos werde ich bei nächster Gelegenheit nachreichen. Vielleicht noch ein Hinweis darauf, dass bei manchen dieser Hosen an den Seitentaschen Paspelierungen in Form von Eichenlaub angebracht wurden - in kontrastierenden Farben oder Ton in Ton. Auch das ein Detail (neben den Reißverschlüssen und dem Gürtel), das bei den "echten" Trachtenhosen nicht vorkommt.

Gruß, Reinhard