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Lederhosen für Postillione

Was für Arten von Lederhosen gibt es denn überhaupt?

Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: Hansi » 05.11.2013, 23:38

Hallo,

ich mache einmal ein eigenes Thema "Postillions-Lederhosen" auf.
Ich wisst ja vielleicht das ich mich für alte Postkutschen interessiere und da gehört die Dienstkleidung der einstigen Postillione mit dazu.
Nach langen Recherchen konnte ich im März 2013 im Depot des Berliner Postmuseums zwei Lederhosen für Postillione anschauen und auch fotografieren. Die Fotos mussten ohne Bilzlicht entstehen und die Lederhosen durfte ich auch nur mit weißen Stoffhandschuhen anfassen, damit sich nichts an den alten Stücken verändern kann.

Hier ein paar Bilder von der Hose, die ich bestimmt einmal nachfertigen lassen werde.

Bild

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Bild

Hier das Hosenbein unten.
Das Band wird um den Fuß/Ferse gelegt, damit die Hose nicht als den Reitstiefen rutscht, was beim Reiten sonst passieren kann.
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Viele Grüße
Hansi
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: haraldmk » 06.11.2013, 09:12

Hallo Hansi!

Ein interessantes Stück. Der Frontlatz geht hier über die ganze Breite, aber eine Art Doppelzipperlatz ist mit Nähten und Dreieck als unterer Abschluss ist angedeutet. Sogar die Knöpfe (wohl mal alle) sind Lederbezogen.
Um was für Leder könnte es sich handeln? Kannst du das einschätzen? Es sieht ja aus wie Hirschleder, sämisch gegerbt.

Die Form dieser Lederhose erinnert mich an eine meiner Lederhosen, die zu einem alten Kradanzug aus den 50gern gehört. Auch bei dieser Hose geht der "Latz" über die ganze Breite.

Hier zwei Bilder (nur zum Anklicken, damit vom eigentlichen Thema nicht abgelenkt wird) dieses Kradanzuges aus dunkelgrünem Vollrindleder im "Einsatz". Mein Kradanzug gehörte zu einer Behördenausstattung (Zoll oder BGS):
http://www.lederbux.de/phpBB3/gallery/image_page.php?album_id=106&image_id=2838
http://www.lederbux.de/phpBB3/gallery/image_page.php?album_id=106&image_id=2839

War diese Art Post-Reitlederhosen gar Vorbild für solche Motorradhosen? In der allgemeinenen Mode hat diese Variante ja nicht Einzug gehalten. Edit: Stefan schreibt über diesem Stil aus dem frühen 19. Jahrhundert.

Vielleicht sind diese Art der Reiter- bzw. Fuhrmannshosen die Vorbilder der allgemeinen Latzhosen.

Viele Grüße,

Harald
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: stefan » 06.11.2013, 09:28

Hallo Hansi und Harald,

zunächst mal an Hansi: Danke für diesen ganz besonderen Bericht.

Diese besondere Form des Latzes habe ich mal an einer alten ledernen Fuhrmannshose gesehen, die bei eBay angeboten wurde. (Nach Angaben des Verkäufers vom Ende des 19. Jhdt.) Fast alle technischen Details (Latzschnitt, Hosenbeinschnitt, Bänder am Fuß) stimmten (aus der Erinnerung) mit denen dieser Hose überein.

Dieser breite Schnitt entspricht eher dem, was aus der Hosenmode des frühen 19. Jhdts. bekannt ist. Die Verzierung entspricht aber optisch den zu diesem Zeitpunkt ja bereits bekannten Leistln am "normal geschnittenen" Latz, die es durch den speziellen Schnitt aber eigentlich nicht gab. Das ist schon interessant.

Viele Grüße

Stefan
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: manes » 06.11.2013, 17:43

Hallo Lederhosenforscher,

stellt sich die Frage, ob die Schnittform vielleicht auch bei den Seeleuten abgeschaut worden ist. Die heutige Marineuniformhose bei der Bundeswehr hat ja ebenfalls bei den unteren Dienstgraden diesen breiten Latz. DIe Marine kennt siesen Schnitt ja auch schon recht lange.

Grüße ans Forum

Hermann
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: Hansi » 06.11.2013, 23:48

Ich versuche einmal eure Fragen zu beantworten.
Die Postillions-Lederhosen die zur Sammlung der Museums-Stiftung für Post und Telekommunikation (MSPT) in Berlin gehören, sind keine Orignale aus dem 19. Jahrhundert. Diese Stücke sind wohl in den 1950er Jahren angefertigt worden, orientieren sich aber am alten Zuschnitt.
Postillions-Lederhosen wurden aus recht dicken, möglichst weißen Hirschleder gefertigt, zumindest steht das so in der Bekleidungsvorschrift.
Der breite Latz ist sehr praxistauglich wenn man zum Beispiel auf dem Pferd reitet, was früher oft der Fall war.
Die größeren Postkutschen mit einem Vierspänner wurden oft vom Sattel aus gefahren (linkes Pferd an der Deichsel, das Sattelpferd). Der breite Latz schützt den Unterleib des Reiters sehr gut gegen die oft unangenehme Witterung. Das kann ich bestättigen, wenn ich mit meiner alten Trachten-Kniebundhose aus dickem Hirschleder ausreite.
Reithosen für herrschaftliche Reiter hatten auch diesen Schnitt, wie ich in einer Ausstellung in einem Berliner Museum sehen konnte.

Die Verzierung auf dem Latz, die an die heutige Form des Knöpflatz erinnert, hat es wohl oft bei diesen Lederhosen gegeben.
Hier einige Bildbeispiele von Postbediensteten, die in den 1890er Jahren für das damals neu gegründete Postmuseum in Berlin gezeichnet wurden.

Preußen um 1830
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Mecklenburg-Schwerin, übrigens sieht man hier Kniebundhosen
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Hessen-Cassel 1830
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Hannover 1830
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Württemberg 1850
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Bayern 1850
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Rechts im Bild bin ich zu sehen in der Galamontur der Kaiserlichen Post um 1890.
Leider noch mit weißer Stoffhose wie sie im Sommer getragen wurde.
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Hier mit Postillionshut (links) oder der Dienstmütze der Postunterbeamten (rechts)
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Und so ist der Blick vom Kutschbock auf das Pferdegespann.
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: stefan » 06.11.2013, 23:56

Hallo Hansi,

danke für die Bilder!

Viele Grüße

Stefan

PS: Zwischen ca. 22:40 und 23:10 war hier alles schwarz: Flächendeckender Stromausfall, vermutlich auf der 10kV-Ebene. Hab gerade erst wieder alle Systeme oben.
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: stefan » 07.11.2013, 00:13

Hallo noch mal,

jetzt was zum Schnitt der Hose:
In Die Männertracht ab dem Biedermeier wird angeführt, der breite Latz sei bis ca. 1880 allgemein üblich gewesen, erst danach sei der schmale Latz aufgetaucht. Dieser Schnitt findet sich auch in einer Schnittsammlung "Historische Bekleidung"

So, wie es aussieht, hatte die Marine (und die Postverwaltung) schlichtweg am herkömmlichen Schnitt festgehalten.

Viele Grüße

Stefan
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: haraldmk » 07.11.2013, 09:27

Ein wirklich interessantes Thema. Und tatsächlich, der schmale Latz ist immer nur angedeutet, aber durchgängig vorhanden.

Die Stiefel dürften sehr schwer gewesen sein und auch recht weit geschnitten. Wie passen sonst Hosenbeine aus dickem Hirschleder mit in den Schaft? Früher war die Stiefelschaftweite sicher nicht regulierbar.
In dem Artikel zur Bekleidung im Biedermeier wird angeführt, dass zum Sonntagsschoppen statt der Stiefel auch Lederpantoffeln zur Stiefellederhose getragen wurde. Sonntags war also bequemlichkeit angesagt, die Lederhose aber wurde getragen. Das spricht ja durchaus für die Alltagstauglichkeit der guten alten Lederhose.

Auch bemerkenswert: Die möglichst weiße Hirschlederhose war Bestandteil der Kleidervorschrift. Wurde die Dienstkleidung eigentlich gestellt? Durfte sie auch außerdienstlich getragen werden? Auch spannende Fragen.

Danke Hansi für das Zeigen der tollen Bilder.

Viele Grüße,

Harald
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: Hansi » 07.11.2013, 16:40

haraldmk hat geschrieben:Auch bemerkenswert: Die möglichst weiße Hirschlederhose war Bestandteil der Kleidervorschrift. Wurde die Dienstkleidung eigentlich gestellt? Durfte sie auch außerdienstlich getragen werden? Auch spannende Fragen.

Danke Hansi für das Zeigen der tollen Bilder.

Viele Grüße,

Harald

Die Dienstkleidung wurde gestellt und durfte nur zu dienstlichen Aufgaben oder offiziellen Anlässen getragen werden.
Eine Ausnahme war vielleicht die Hochzeit des Postillions, da hat er bestimmt seine Galamontur mit der Lederhose getragen.

Ausgemusterte und abgeschriebene Dienstkleidungsstücke durften vielleicht auch noch privat abgetragen werden.
Dazu liegen mir aber keine Informationen vor.

Viele Grüße
Hansi
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Re: Lederhosen für Postillione

BeitragAutor: stefan » 08.11.2013, 09:36

Hansi hat geschrieben:Eine Ausnahme war vielleicht die Hochzeit des Postillions, da hat er bestimmt seine Galamontur mit der Lederhose getragen.

Hallo Hansi,

falls der Herr Amtsvorsteher die Feier mit seiner Anwesenheit beehrte, dürfte das sogar erwartet worden sein.

Viele Grüße

Stefan
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