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Anatomie der "Sportlederhose"

Was für Arten von Lederhosen gibt es denn überhaupt?

Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: stefan » 22.05.2013, 16:12

In den 50er-Jahren brachten einige Hersteller (z.B. Haelson) eine neue Form der Lederhose auf den Markt: Die "Sportform" oder "Sportlederhose". Diese unterscheidet sich in folgenden Punkten von der klassischen Lederhose:

Der Latz wird nicht mehr geknöpft, sondern mit zwei Reißverschlüssen geschlossen. Damit hat sind Leistel und Latzbund überflüssig und entfallen. Deutlich seltener gibt es auch eine Form ohne Latz, die den einzelnen Hosenschlitz (mit Überdeckung) hat.

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Der Bund läuft am Rücken durch, es gibt keinen Zwickel. Oft ist das Rückteils auch aus mehreren Teilen geschnitten, um den Weitenunterschied zwischen Hüfte und Taille besser auszugleichen (Sattel). Die Hose ist auf das Halten mit einem Gürtel ausgelegt.

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Als Material wird sehr oft Nappaleder verwendet, beliebte Farben sind schwarz und dunkelgrün. Rindspaltleder als preisgünstige Version ist auch verbreitet. Höherwertige (sämisch gegerbte) Leder sind selten.

Nähte werden fast immer inwendig gearbeitet und oft als überlappende Doppelnaht gemacht.

Der Schlitz am Beinabschluss ist zwar noch in vielen Fällen vorhanden, aber fast immer ohne Schlitzfleck und mit einem dünnen Lederband geschlossen. Manchmal ist der Schlitz auch nur angedeutet oder entfällt ganz.
Als Schmuck gibt es oft farbig abgesetzte Paspeln an den Taschenrändern. Oft sind die Taschen auch mit einer aufgesetzten Lederapplikation (meist ein Eichenblatt) umnäht.

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Die Messertasche ist so gut wie immer vorhanden, das Messertaschenleistl entfällt aber sehr oft.

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Gesäßtaschen sind häufig. Es gibt sie sowohl mit Knopfverschluss als auch mit Reißverschluss.

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Re: Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: stefan » 06.08.2015, 09:41

Noch ein interessantes Detail:

Im Vergleich zum Schnitt der klassischen Lederhose, bei dem der Tascheneingriff zwischen zwei einzelnen Teilen liegt

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sind bei dieser Sportlederhose die Taschen vollständig in das Vorderteil der Hose eingearbeitet

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Beim klassischen Schnitt endet das Vorderteil der Hose an der Vorderkante der Tasche. Die Taschenöffnung endet erst am Bund und der Seitennaht. Die Hinterseite des Taschenbeutels geht in ein separates Lederstück über, das ebenfalls mit Seitennaht und Bund verbunden ist.

Beim Sportlederhosenschnitt geht das Vorderteil durch bis zum Bund und hat für die Taschenöffnung einen Schlitz bis zur Seitennaht. Der Taschenbeutel ist vorn direkt angenäht, auf der Rückseite kommt zunächst eine kurze "Blende" aus dem Material der Hose und dann erst der Taschenbeutel.

Die wesentlichen Unterschiede sind:

Beim klassischen Schnitt geht, technisch gesprochen, die Hinterseite des Taschenbeutels eigentlich bis zum Bund durch. (Dass man aus Kostengründen oft im unsichtbaren Bereich noch eine Teilungsnaht hat und der eigentliche Beutel aus dünnerem Leder oder Stoff gemacht wird, ist eine andere Sache.) Dies ähnelt noch sehr stark den alten Fuhrmannslederhosen, bei denen die Tasche komplett vom (sehr breiten) Latz verdeckt wurde. Diese Machart habe ich bislang bei allen nach Säcklerart gearbeiteten Hosen gesehen.

Beim Sportschnitt hat man den Taschenbeutel komplett verdeckt und unsichtbar an die Hose angesetzt. Dies entspricht dem Schnitt, wie er von Schneidern verwendet wird. Zusammen mit der anderen Nahttechnik (Flachnaht bzw. nach innen gearbeitete Naht) verkörpert die Sportlederhose also anscheinend einen ganz anderen Stil.
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Re: Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: wassermann » 06.08.2015, 15:29

Hallo Stefan,
zu diesem Thema möchte ich noch etwas beitragen. Kann es sein das in der Alpenregion und im Norden die Sportlederhosen unterschiedlich gefertigt wurden?
Bei uns war der sogenannte Brotzeitzwickel auch vorhanden, nicht immer aber in den meisten Fällen.
Gruß
Werner

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Re: Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: stefan » 06.08.2015, 17:20

Hallo Werner,

allem Anschein nach hat es bei der Sportform da - abhängig vom Hersteller - beide Varianten gegeben, also mit und ohne Zwickel. Eine Zuordnung der Hersteller zu den Schnittvarianten wäre sicherlich interessant.

Viele Grüße

Stefan
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Re: Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: Reinhard » 06.08.2015, 19:04

Hallo!

Auch von mir noch eine kleine Anmerkung: der doppelte Reißverschluss war bei den kurzen Sportlederhosen der Regelfall. Bei den Kniebundlederhosen im sportlichen Schnitt war hingegen der einzelne, verdeckte Reißverschluss wesentlich häufiger anzutreffen. Warum das so war - keine Ahnung.

Gruß, Reinhard
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Re: Anatomie der "Sportlederhose"

BeitragAutor: sepplbux » 07.08.2015, 07:57

Hallo

Der Brotzeitzwickel wurde sicherlich sehr unterschiedlich verwendet. Er sollte ja der Anpassung versciedener Bundweiten dienen und auch nach Aufnahme üppiger Mahlzeiten und diveser Maß Bier einem Ausgleich am Bauch dienen. Dieser Brauch wurde auch bei bei meisten Sportlederhosen beibehalten, insbesonder bei den Kinderlederhosn um ein mehrjähriges Tragen zu ermöglichen. Diese Regulierung diente also der wachstumsbedingten Änderungen der Bundweite der Heranwachsenden.Wobei diese in den vergangenen Zeiten in der Regel schmaler waren aufgrund mehr sportlicher Aktivität und dem fehlenden Angebot in den besonders Nachkriegsjahren an fettreich und zuckerhaltigen Nahrungen begründet war. Eine damilige wurde ja eh ziemlich weit gekauft und mußte am Körper des Jungen durchaus 4-5Jahre durchhalten. Schließlich war auch damals eine Investion in eine Lederne durchaus schon teuer entsprechend dem damaligen Einkommen und mußte sich demzufolge lohnen, außer man konnte eine gebrauchte aus der Bekanntschaft oder Verwandschaft erhalten. Deshalb erscheinen auch Bilder der Buben der damaligen Zeit eigentlich fast immer in zu großen und nicht recht passenden Lederhosen. Aber das war wohl damals für jeden normal, der Bub wächst da schnell hinein. Und da war der Zwickel am Hosenbund sicher sehr hilfreich. Deshalb hat man das wohl auch so beibehalten und den damals aufkommenden " Sportlederhosen" verpaßt.
Wobei auch der Doppelzipp in der Nachkriegszeit den meisten Kids entgegen kam, ersparte der doch unerwünschte Ein-und Durchblicke in den geknöpften Hosenlatz. Und mit zunehmenden Alter war man da schon sehr eitel. Ale Unterteile des Körpers mußten gut verdeckt sein. Zwar war es im Vorschulalter damals durchaus üblich, das Junge und Mädchen nackt im Garten oder Hof spielten, auch mal auf die Straße ausbüxten. Aber bei Stadtgängen oder ähnlichem war schon die Lederne bzw ein Kleid Pflicht. Interessant in diesem Zusammenhang, bei Volksfesten und dergleichen gab es meist auch auch Rutschbahnen oder kettenkarussels . besonders bei den Ruschtbahnen verwehrte man den lederbesosten Jungen das übliche Rutschkissen, nur Mädchen oder Benutzer von Stoffhosen bekamen das dort. Begründung:: eine Lederhose hält das Rutschen locker aus. Mädchen mußten dagegen sich manchmal einer Schlüpferkontrolle unterziehen. Damit niemand auf der Rutschbahn oder Karussel den unbedeckten Schamteil sehen konnte. man hielt auch damals auf Zucht und Ordnung. Im heißen Sommer hat man damals sehr oft auf Unterwäsche verzichtet, nicht zuetzt wegen der mühseligen Waschbedingungen.
Die Sportlederhose ohne den bewußten Zwickel am Bund kam wohl erst später auf bei den sportlichen, die ursprüngliche Krachlederne hatte den eigentlich stets auch bei den kleinen Größen. Und erfüllte wohl auch einen wichtigen Zweck. Nämlich um das Wachstum der Kleinen als auch eine gewisse Freßsucht und Bierkonsum bei den " Großen" auszugleichen. Wobei wohl ersteres wichtiger war. Wohl erst später verzichtete man darauf, besonders nachdem Lederne mit normalen kurzen Schnitt und nur einem Zipp Mode wurden. Da paßte das nicht mehr richtig. Und aufgrund der Mode der aufkommenden Bluejeans veränderte sich auch der Lederhosenschnitt. Doppelzipp und enge Paßform , doppelte Gesäßtaschen aber auch der Einzelzipp eroberten die Ledermode. Zunächst noch einzeln von Schneidern gefertigt, zogen die Hersteller schnell nach. Zumal es ja Tradion war, den Hosenschlitz einreihig per Knöpfe oder nach dem krieg zunehmend mit Reißverschluß zu verschließen.
Während die Kniebundene tradionell in Bayern mit Knöpflatz und umfangreichen Stickereien und den reich ausgestattenen Hosenträgern in der Regel eine Festtracht war und den üblichen Knöpflatz aufwies, schuf man aber anderseits eine Alternative zur sommerlichen kurzen Lederhose für die kältere Jahreszeit zur Arbeit oder auch für Wanderungen und Jagd. Dafür reichte auch eine ganz einfache Variante, nur sehr stabil sollte sie sein, ein Merkmal aller Lederhosen und bis heute wohl unübertroffen. Und die fand wohl in der knielangen Lederhose, üblicherweise mit Knöpflatz und sicher wohl nördliche Nachahmer fanden schnell heraus, ein einfacher einreihiger Verschluß wie allgemein üblch in der Männerhosenmode tut es auch. Und war auch deshalb, weil es in den 20-30ern Jahren besonders modisch war in den " Knickerbuchsen" zu gehen. Die waren zwar aus Stoff, aber eine Abwandlung zur Ledernen mit besonderer Strapazierfähigkeit für Menschen in der Natur lag da auch nahe. Und wurde wohl sehr gern überall angenommen. Als " Jägerhose oder Wanderhose" ist sie ja noch heute allseits bekannt und bliebt. Schlicht und einfach und ohne Zierrat kommt sie immer noch daher, als Arbeitshose im Ländlichen, als ideales Bekleidungsstück für alle Jahreszeiten für den Aufenthalt in Feld und Wald.
Wobei es wohl viele Formen in den kleinen Details sowohl bei den kurzen als auch kniebundenen Lederhosen gibt. Stefan geht ja auch näher ein. Und heutige in der Türkei oder Asien gefertigte lassen ja auch mitunter drastische Formen vom althergebrachten Lederhosenstil erkennen. Wobei die Lederhose an sich immer wieder einen mitunter drastischen Wandel unterlag. Und wohl in Zukunft unterliegen wird, von der Arbeits und jagdhose zur allegemeinen Freizeitskleidung bis jetzt zur Spaßbekleidung für Bierfeste und Vergnügen.

Puuhhhh, ist mal wieder lang geraten, aber ich hab das mal aus meiner Sicht geschildert und aus einer Sicht, wo die Lederhose bis zur Wende doch eine Rolle gespielt hat.


Es grüßt


Lederhosen Gerd

sepplbux
 


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